Eine spannende Zeitreise hatte Referent Ingo Espenschied seinen Gästen in der Wetzlarer Stadthalle versprochen. Und die rund 100 Besucher, überwiegend Schüler und deren Lehrer, sahen sich nicht enttäuscht. Unter dem Titel „50 Jahre Élysée-Vertrag" berichtete der Mainzer Politologe und Journalist am Montag, 16. September 2013, eine gute Stunde lang über deutsch-französische Feindschaft und Versöhnung, den Weg zur Einigung Europas und das Dokument, das am 22. Januar 1963 die deutsch-französische Zusammenarbeit verbindlich regelte.

Bereits im Januar war Espenschied mit seinem Multimedia-Vortrag in Wetzlar zu Gast gewesen. Gemeinsam hatten damals Lehrer der Asslarer Alexander-von-Humboldt-Schule und der Goetheschule Wetzlar die Idee, den Referenten noch einmal zu einem Vortrag einzuladen. Diesmal sollte er sich vor allem an Schüler richten. Die Finanzierung hatten Goethe- und Humboldt-Schule gemeinsam übernommen.
Auch wenn die Entstehungsgeschichte des sogenannten Deutsch-Französischen-Freundschaftsvertrags im Zentrum des Vortrags stand, holte Espenschied doch weiter aus. Zurück bis in die Zeit der Karolinger ging die Reise, als die Enkel Karls des Großen dessen Reich unter sich aufteilten und somit den Grundstein für die deutsch-französische Rivalität legten. Weiter ging der historische Exkurs durch die napoleonische Zeit, den deutsch-französischen Krieg von 1870/71, das Deutsche Kaiserreich und zwei Weltkriege, bevor der Vortrag das Kernthema – die Versöhnung zwischen den „Erbfeinden" Deutschland und Frankreich erreichte.
Espenschied schenkte hierbei Personen besondere Beachtung – vor allem um Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle kreiste der Vortrag immer wieder. Einblicke in die Biografien der beiden Protagonisten der Entstehung des Élysée-Vertrags dienten dazu, die Motivation für deren Handeln zu beleuchten. Von anfänglicher Skepsis über das erste Treffen der Staatsmänner 1958 in Bad Kreuznach, den Besuch Adenauers in de Gaulles privatem Domizil in der Champagne – Aperitifs von Madame de Gaulle inbegriffen – und gegenseitige Staatsbesuche, zeichnete der Referent die Entstehung einer Freundschaft, die im Vertrag von 1963 gipfelte.
Sicher kamen durch den Fokus auf die deutsch-französische Aussöhnung realpolitische Hintergründe etwas zu kurz. Da fiel kein Wort von de Gaulles Ziel, ein starkes Europa unter französischer Führung und in größerer Unabhängigkeit von den USA zu etablieren. Da wurden die bundesdeutschen Anhänger einer Betonung des transatlantischen Bündnisses auch schon mal zu Gegnern der Versöhnung. Dem Unterhaltungswert der Multimedia-Show schadete das indes nicht.
Nicht nur die Tatsache, dass Bilder, Karten, Animationen und Filmausschnitte für Auflockerung und Abwechslung sorgten. Auch der Referent selbst verstand es, durch seinen Vortrag zu fesseln, Ereignissen durch Betonung Bedeutung zu geben und den Spannungsbogen hoch zu halten. Die Tatsache, dass er seinen Vortrag mit zahlreichen amüsanten Anekdoten angereichert hatte, tat ein Übriges. So erfuhren die Gäste, dass de Gaulle zu groß für deutsche Betten war, oder dass die deutsche Fassung des Élysée-Vertrags schwarz-rot-goldenes Geschenkband statt offiziellem Vertragskordel schmückt. Die deutsche Delegation hatte die notwendigen Utensilien nicht im Gepäck, da Adenauer niemanden über seine Pläne des Vertragsabschlusses informiert hatte, erklärte Espenschied. Für Heiterkeit sorgte auch der Filmausschnitt, der zeigte, wie Adenauer nach der Vertragsunterzeichnung zum „Bruderkuss" geschubst werden musste, da er mit den französischen Gepflogenheiten nicht recht vertraut war.
Doch neben solchen Anekdoten fehlte auch eine seriöse Einschätzung der Bedeutung des Vertrags nicht. Dieser regele Zusammenarbeit, nicht Freundschaft. Denn Freundschaft lasse sich nicht vertraglich festschreiben. Sie sei vielmehr etwas, das auf der persönlichen Ebene entstehe, erklärte der Referent und verwies auf die über 2000 Städtepartnerschaften, private Freundschaften und sogar Ehen, die allesamt zum Abbau von Vorurteilen beitrugen. Ohne eine gelungene deutsch-französische Zusammenarbeit jedoch, gebe es keine Zukunft für Europa, so Espenschied.
Das sowohl bei der europäischen Zusammenarbeit als auch Freundschaft die Humboldt- und die Goetheschule wichtige Rollen spielten, hatte Wetzlars Partnerschaftsdezernent Karlheinz Kräuter bereits in seiner Begrüßung betont. Die Teilnahme an zahlreichen Schüleraustauschen und europäischen Programmen sei Beleg hierfür.